Frage an die Trimmexperten

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Navigator
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Frage an die Trimmexperten

Ungelesener Beitrag von Navigator »

Hallo,
irgendwie habe ich das Gefühl, dass mein Groß ziemlich schlecht steht. Es ist zwar nur ein einfaches Fahrtensegel, weniger als 10 Jahre alt, aber für meine Begriffe eigentlich noch ganz gut. Aber es steht eher wie eine Mondsichel als wie ein Tragflächenprofil. Ich bin nun wirklich kein Kenner des Segeltrimms, aber ich bin sicher, dass ich zu wenig Twist im Segel habe und das Achterliek zu dicht ist. Ich meine, dass es sogar fast krallt. Leider hat die Varianta bekanntermaßen keinen Traveller. Traveller nach Luv könnte das Problem evt. mildern, soweit ich weiß - aber das ist ja nunmal nicht möglich. Was kann ich hier sonst noch tun ?
Viele Grüße
Peter
Navigator
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Re: Frage an die Trimmexperten

Ungelesener Beitrag von Navigator »

Schade, dass niemand antwortet.
Da man am Großsegeltrimm leider nur wenig machen kann, habe ich mal ein wenig an Fock und Genua gespielt. Wenn ich den Holepunkt weiter nach vorne lege, habe ich eine ähnliche Situation, wie oben beschrieben : Das Achterliek ist zu dicht, es krallt fast. Zu weit nach hinten, habe ich zu viel Twist und oben killt das Segel dann am Wind. Das Vorsegel kann ich also so trimmen, wie ich es für gut befinde, aber was mache ich mit dem Groß ?
Ich bin kein Regattasegler (der würde solche Fragen wohl nicht stellen) und habe auch sonst nicht die meisten Erfahrungen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass man da noch mehr rausholen kann (aus meinem eigentlich noch nicht ausgelutschtem Großsegel).
Viele Grüße
Peter
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Furai
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Re: Frage an die Trimmexperten

Ungelesener Beitrag von Furai »

Hallo Peter.
Die Trimmmöglichkeiten für Deine Vorsegel hast Du schon sehr gut beobachtet und richtig beschrieben.

Bei toppgetakelten Booten mit Genua wie der Varianta ist das Vorsegel das Haupt-Gaspedal.
Die Genua muss richtig getrimmt sein um Dein Schiff schnell zu machen.
Das Großsegel ist mehr als Trimmklappe für die Balance des Bootes anzusehen

Auch müssen die Segel für jede Windstärke eine andere Einstellung (einen anderen Trimm) bekommen:
1. für wenig Wind=Genua-Schotwagen nach vorne.
Das bewirkt folgendes: der Schotzug der Genuaschot überträgt sich mehr auf das Achterliek.
Dadurch schließt sich das Achterliek.
Dieses ist bei leichten Winden auch gewollt damit das Segel „Druck“ aufbauen kann und Dein Schiff voran bringt.
Alternativvergleich für diese Einstellung „Viel Kraft-geringe Geschwindigkeit=„So wie der 1.Gang beim Auto.“

2. für mittlere Windgeschwindigkeiten=Genua-Schotwagen mehr in die Mitte.
Das bewirkt folgendes: der Schotzug der Genuaschot verteilt sich gleichmäßig auf das Genua-Achterliek und das Genua-Unterliek.
Dein Genua-Achterliek sollte jetzt auch immer noch schließen.
Der Zug auf das Unterliek bewirkt das die Genua etwas flacherer wird als wie bei der Einstellung für leichte Winde.
Dadurch kannst Du eine größere Geschwindigkeit und mehr Höhe fahren.
Alternativvergleich für diese Einstellung „mittlere Kraft-mittlere Geschwindigkeit=„So wie der 2.-3..Gang beim Auto.“

3. für starke Windgeschwindigkeiten=Genua-Schotwagen nach hinten.
Das bewirkt folgendes: der Schotzug der Genuaschot überträgt sich hauptsächlich auf das Genua-Unterliek.
Das Genua-Achterliek wird entlastet, öffnet sich und kann nun übermäßigen Druck ablassen und in Vortriebsgeschwindigkeit umsetzen.
Der Hauptzug auf das Unterliek bewirkt das die Genua noch flacherer wird.
Alternativvergleich für diese Einstellung „Wenig Kraft-hohe Geschwindigkeit=„So wie der 5.Gang beim Auto.“

In allen 3 Fällen ist auch jeweils die Spannung des Genuafalls, welches die Position des Segelbauches bestimmt, entsprechend einzustellen.
Faustformel: weinig Wind=weniger Spannung, viel Wind=mehr Spannung

Nun zum Großsegel und zu Deiner Frage:
Die kurze Version:
Das Achterliek des Großsegels wird gespannt durch alles was den Großbaum nach unten zieht!

Die lange Version:
Aus dem Buch von John-Masts: „Segel- und Riggtrimm“.
Das Großsegel trägt zwar zum Vortrieb des Bootes bei, ist aber auch sehr wichtig für die Balance des Bootes.
Aus diesem Grund wird hier immer wieder betont, wie wichtig es ist, das Segel in erster Linie auf Balance zu trimmen.
Das Achterliek des Großsegels ist hier der kritische Punkt!
Man spricht von einem geschlossenem oder offenem Achterliek um zu beschreiben wie das Achterliek getrimmt ist.

Ein geschlossenes (dichtes) Achterliek gibt eine große Kraft.
Diese bringt Dein Boot bei schwächeren Winden nach Vorne, bei starken Winden lässt sie Dein Boot auf die Seite krängen und macht es luvgierig.

Ein offenes Achterliek mit mehr Twist lässt den Luftstrom leichter folgen/entweichen.
Der Luftstrom kann das Segel leichter und schneller verlassen ohne allzu viel seitlichen Druck zu erzeugen.
Das Ergebnis ist das Dein Boot eine bessere Ruderbalance bekommt und weniger Luvgierig ist.

Wie stelle ich die Achterlieksspannung (den Twist) des Großsegels ein?
Der Twist des Großsegels wird hauptsächlich mit der Großschot und dem Baumniederholer eingestellt.
Das Achterliek des Großsegels ist der beste Indikator für den Twist des Segels.
Als Faustformel gilt, das man die Schot so dicht holen soll, das die oberste Segellatte parallel zum Großbaum verläuft.
Fiert man die Schot öffnet man das Achterliek.
Holt man die Schot dicht reduziert man nach und nach diesen Twist.
Holt man die Schot sehr dicht, schließt sich der obere Teil des Achterlieks und die oberste Segellatte zeigt nach Luv.

Hilfsmittel:
Windfaden am Großsegelachterliek an der obersten Segellatte.
Dieser Windfaden sollte mehr als die Hälfte der Zeit mit dem Luftstrom nach hinten auswehen.
Holt man die Schot zu dicht, wickelt sich der Windfaden um das Großsegelachterliek zur Leeseite.
Fiert man die Schot etwas, öffnet sich der obere Teil des Achterlieks und der Luftstrom (und der Windfaden) weht wieder nach hinten aus.

Ausnahmen:
Natürlich gibt es Ausnahmen welche gegebenenfalls berücksichtigt werden müssen wie:
Windstärke
Wellenbild (glattes Wasser, mittlere oder hohe Wellen)
Strömungen

Für jede Windstärke sind auch entsprechend Großsegelcunningham/Vorliekstrecker und Großsegelunterliekstrecker einzustellen welche Position und Tiefe des Segelbauches bestimmen.
Faustformel auch hier: weinig Wind=weniger Spannung, viel Wind=mehr Spannung

Auch hat das Mastfall, die Mastvorbiegung welche man mit der Wantenspannung einstellt, sowie die Achterstagspannung welche die Mastbiegung kontrolliert noch Einfluß auf den Großsegeltrimm.

Insgesamt gibt es unzählige Verstell- und Einstellungsmöglichkeiten sein Boot zu trimmen oder zu vertrimmen.
Man muss nur für die momentanen Segelbedingungen die entsprechend Richtige aus den ca. 2.500.000 Einstellungsmöglichkeiten herausfinden um Tagesschnellster zu sein ;)

Viele Grüße und gutes Gelingen.
Horst.

PS: 82 Beiträge von Dir und noch kein KV-Mitglied ?! :shock:
Jetzt aber mal zu, kostet doch nicht viel.
Ich hoffe das Du dann ab 2011 dabei bist :)
Und viele Tipps (auch Trimmtipps) sind dann für Dich abrufbar :ugeek:
Navigator
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Registriert: Mo 7. Mai 2007, 21:38
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Re: Frage an die Trimmexperten

Ungelesener Beitrag von Navigator »

Hallo Horst,

Vielen Dank für die ausführlichen Tipps. Das werde ich nächste Saison mal ein bisschen ausprobieren. Es geht mir allerdings nicht unbedingt darum, Schnellster zu sein, so ehrgeizig bin ich da nicht. Ich habe nur Probleme, bei ausreichend Wind auf Rumpfgeschwindigkeit zu kommen. Wenn ich alleine fahre, habe ich zu schnell zu viel Krängung - daher die Frage nach dem evt. zu dichten Achterliek. Den Baumniederholer fahre ich fast immer ziemlich locker. Wenn ich einen Vorschoter dabei habe, bin ich grundsätzlich schneller (Gewichtstrimm) und kann auch ein wenig an den Trimmeinrichtungen spielen. Als Alleinfahrer (meistens) ist das schon schwieriger und bei mehr als drei Bft fahre ich dann oft nur mit der Genua oder ab vier sogar nur mit Fock. Klappt auch ganz gut - aber schnellster bin ich damit natürlich nicht.
Zur Mitgliedschaft : Im Moment sehe ich da keinen Sinn mehr drin. Ich wollte zwar auch Regatta fahren (ohne Sieg-Ambitionen), aber erstens fehlt mir ein Vorschoter, zweitens gibts auf meinem Revier keine Varianta-Regatten, drittens habe ich keine Lust, das Boot mehrmals im Jahr zu transportieren und zu guter Letzt, habe ich vor, das Boot bald wegen Vergrößerung zu verkaufen.
Viele Grüße
Peter
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